Agiles Marketing
Wie man mit agilen Methoden mehr für Marken erreicht
Agiles Marketing ist eine bestimmte Art und Weise, Marketingprozesse zu organisieren. Das Ziel besteht darin, auch in extrem dynamischen Märkten, passende wirksame Maßnahmen zu entwickeln.
Zentral für agiles Marketing sind die Konzepte der Iteration, des Prototypings und der Optimierung. In agilen Marketingprojekten werden Maßnahmen als Prototypen entwickelt und dann iterativ – also Schritt für Schritt – verbessert. Agiles Marketing setzt also weniger auf Big-Bang-Kampagnen. Im Vordergrund stehen statt dessen schnelles Feedback, systematisches Trial-and-Error und kontinuierliche Weiterentwicklung.
Auf zwei Missverständniss bezüglich agilen Marketings trifft man häufig. Eines liegt darin zu glauben, dass es im agilen Projektmanagement keine langfristige Planung mehr gibt. Natürlich wird auch im agilen Marketing so weit wie möglich in die Zukunft geplant, aber eben flexibler. Ein weiteres Missverständnis besteht darin, agiles Marketing mit tagesaktueller Werbung gleichzusetzen. Agiles Marketing ist jedoch eher als ein weitreichendes Paradigma zu verstehen, mit dem Marketing-Aktivitäten insgesamt flexibler werden. Daraus kann neben vielen anderen Marketing-Maßnahmen unter anderem auch tagesaktuelle Werbung entstehen. Aber eben nicht nur diese.
Agenda
01 Was bedeutet agil? Vom Alltagsverständnis zur fachlichen Definition.
02 Warum agiles Marketing: Beschleunigung und Optimierung
03 Manifesto for Agile Software Development und Agile Marketing Manifesto
04 Unterschiede agile Software-Entwicklung und agiles Marketing
05 Klassische lineare Prozesse: Wasserfall-Modell
06 Agile Prozesse: Iteratives Modell
07 Prototyping und Kundenorientierung
08 Konkrete Anwendungsfelder des agilen Marketings
09 Vorteile des agilen Marketings
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Was bedeutet agil?
Wir alle wissen, was gemeint ist, wenn jemand als besonders agil bezeichnet wird. Zumeist soll ausgedrückt werden, dass eine Person spontan, flexibel und schnell, vielleicht auch ein wenig unkonventionell, in neuen Situationen reagiert. Das alles trifft auch auf agiles Marketing zu. Auch hier geht es unter anderem um Flexibilität und Schnelligkeit sowie darum, neue Wege zu beschreiten. Dennoch bringt das Alltagsverständnis des Begriffes agil eine gewisse Unschärfe in Hinblick auf eine fachlich fundierte Definition von agilem Marketing mit sich, die ich zu Beginn kurz ansprechen möchte.
Die Agilität des Marketings baut zwar auf die Spontanität eines agilen Teams, ist aber selbst keine spontane Eigenschaft, die man entweder hat oder nicht hat. Beim agilen Marketing oder ganz allgemein bei agilen Organisationen geht es immer darum, Agilität systematisch zu ermöglichen. Es geht um eine Organisationsstruktur, die agile Fähigkeiten und Persönlichkeiten voll zur Entfaltung bringt, agiles Verhalten einfach macht und es somit begünstigt. Als Kurzdefinitionen halte ich die beiden folgenden für brauchbar:
Was bedeutet Agilität in Hinblick auf Organisationen?
Agilität ist die systematisch hergestellte Fähigkeit einer Organisation, ihr Verhalten schnell, kontrolliert und in Bezug auf definierte Ziele erfolgreich zu ändern.
Was ist agiles Marketing?
Agiles Marketing ist eine spezifische Organisationsstruktur und Arbeitsweise, die Agilität im Marketing ermöglicht, befördert und tatsächlich umsetzt.
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Warum agiles Marketing: Geschwindigkeit und Optimierung
Der aktuelle – und meiner Meinung nach durchaus berechtigte – Hype um das Thema Agilität steht in engem Zusammenhang mit der Digitalisierung. Die fortschreitende Digitalisierung führt zu einem teils radikalen und offenem Veränderungsprozess aller gesellschaftlichen Bereiche. Diese beschleunigte Abfolge von immer neuen Entwicklungen wird heute gemeinhin mit Begriff der digitalen Transformation bezeichnet.
Oft sind Marketingabteilungen diejenigen Einheiten eines Unternehmens oder einer Institution, die besonders sensibel und leichtfüßig auf Veränderungen reagieren können. Denn Marketingverantwortliche müssen den Blick ohnehin konsequent nach außen richten. Es zählt zu ihren Aufgaben, die inneren Aktivitäten ihrer Organisation nach außen zu vermitteln. Im Idealfall über die Rückkopplung auch die inneren Aktivitäten wie z.B. neue Produktentwicklungen zu beeinflussen und anzustoßen. Insofern gehört ein gewisses Maß an Agilität von je her zu den erwünschten Fähigkeiten eines gut funktionierenden Marketing-Teams.
Mit der fortschreitenden Digitalisierung und insbesondere der Verbreitung des Internets ändern sich die Anforderungen an die Agilität des Marketings jedoch stark. Zum einen haben die Dynamik der Märkte und die technologischen Veränderungen ein Niveau erreicht, das ohne systematisch angewendete Agilität kaum mehr bewältigt werden kann. Zum anderen bieten digitale Tools völlig neue Möglichkeiten, die eigenen Handlungen zu bewerten. Die Messbarkeit von Marketingmaßnahmen hat sich so stark verbessert, dass heute unmittelbares Feedback für die Optimierung dieser Maßnahmen genutzt werden kann.
Das sind die beiden Haupttreiber für agiles Marketing: Die Beschleunigung des Wandels und der Marketing-Prozesse einerseits und die Möglichkeiten der Optimierung andererseits.
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Manifesto for Agile Software Development und Agile Marketing Manifesto
Methodische Agilität hat verschiedene Ursprünge. Die Methode Kanban stammt ursprünglich aus dem Toyota-Produktionssystem, wird aber auch in der Software-Entwicklung angewendet. Die andere heute wohl noch beliebtere Methode Scrum kommt originär aus der Software-Entwicklung. Die Basisprinzipien wurden unter anderem 2001 in einem agilen Manifest für Software-Entwicklung formuliert. 2012 folgte dann das Agile Marketing Manifesto, das 7 Leitsätze formuliert, die ich hier (zum Teil etwas freier) übersetze und kommentiere:
- Validiertes Lernen geht über Meinungen und Konventionen.
(Eigentlich eine Binsenweisheit. Aber eine, die man im hektischen Marketing Alltag erst einmal umsetzen muss. Der agile Zyklus von Ausprobieren, Messen und Optimieren hilft.)
- Kundenfokussierte Zusammenarbeit ist wichtiger als Silos und Hierarchien.
(Ebenfalls eine Selbstverständlichkeit, die in Unternehmen nicht unbedingt selbstverständlich ist: Es geht darum, gemeinsam das Beste für den Kunden und damit das Unternehmen zu erreichen. Abteilungsgrenzen, Zuständigkeiten und Hierarchien sind kein Selbstzweck.)
- Adaptive und iterative Kampagnen sind besser als Big-Bang-Kampagnen.
(Aus meiner Sicht wird hier am klarsten, was den Unterschied zum klassischen Paradigma ausmacht.)
- Insights entstehen in einem Prozess der Kundenentdeckung und sind keine statischen Vorhersagen.
(Man soll sich nie zu sicher sein, seinen Kunden wirklich zu kennen, schon allein deshalb nicht, weil er sich gerade jetzt verändert.)
- Flexible Planung löst starre Planung ab.
(Einer der Punkte, die in der Praxis am meisten Schwierigkeiten machen, weil z.B. Jahresplanungen oft auch mit anderen Instanzen wie Chefs, Controllern usw. abgestimmt werden müssen. Für dieses Problem gibt es aber gute und durchdachte Lösungen, die wir gern im persönlichen Termin vorstellen.)
- Es geht darum, auf Veränderungen zu reagieren, und nicht darum, einen Plan diszipliniert abzuarbeiten.
(Mehr oder weniger eine Erläuterung von Punkt 5.)
- Viele kleine Experimente sind besser als wenige große Wetten.
(Letztlich eine zuspitzende Ergänzung zu Punkt 3, die ich auf allgemeiner Ebene nur mittrage, wenn man das Wort Wette ernst nimmt. Markenkommunikation ist nach wie vor oft auf Penetration und wirksame Kontaktdosis angewiesen. Insofern gibt es schon Marken, die große Kampagnen benötigen. Aber eben nicht als große Wette, bei der ein Kampagnenansatz intern für gut befunden wird und dann per Großbudget herausgeblasen wird. Ist die Kampagne erfolgreich, gewinnt man die Wette. Wenn nicht, verliert man sie. Im Gegensatz dazu werden agile Kampagnen im Sinne von Punkt 3 adaptiv und iterativ vorangetrieben sowie live optimiert.)
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Unterschiede zwischen agiler Software-Entwicklung und agilem Marketing
Bei aller Orientierung an den angesagten Methoden der Software-Entwicklung sollten die Unterschiede zwischen dort beheimateter Agilität und agilem Marketing nicht in Vergessenheit geraten. Dazu ist es hilfreich, sich die Vorteile des agilen Paradigmas in der Software-Entwicklung vor Augen zu führen. Software-Entwickler versuchen zu Beginn eines Projekts, die Anforderungen an das zu entwickelnde Software-Produkt möglichst genau in sogenannten Requirements zu beschreiben. Bei größeren Projekten zeigte sich, dass die in klassischen Paradigmen wie z.B. dem Wasserfall-Modell entwickelten Produkte zwar (möglicherweise) zu den am Beginn des Projekts formulierten Anforderungen passen, aber die Anforderungen nicht mehr unbedingt zur sich wandelnden Realität. Ein weiteres grundsätzliches Problem in der Software-Entwicklung besteht darin, den Kunden zu verstehen bzw. zu verstehen, was er wirklich braucht. Auch hier hat das klassische Paradigma seine Grenzen, wenn es versucht, Anforderungen in Gesprächen und über Modellierung herauszufinden. Missverständnisse mit Kunden, die eher IT-Laien sind, liegen an der Tagesordnung. Beides versucht das agile Paradigma zu lösen, indem es erstens den Fokus auf die Anpassungsfähigkeit legt und zweitens mit Prototypen arbeitet, die der Kunde schon in frühen Stadien ausprobieren kann, um Feedback zu geben.
Im Marketing verhält es sich durchaus anders. Starre Anforderungskataloge und sehr lange Projekte sind ohnehin nicht die Regel. Missverständnisse mit Kunden kommen vor, sind aber auch mit den klassischen Instrumenten wie einem guten Briefing-Rebriefing-Prozess in den Griff zu bekommen. Marketing-Teams starten somit von einem in der Regel schon vorhandenem Agilitäts-Niveau in das systematischer organisierte agile Marketing. Das macht es durchaus einfacher. Auch sollten die Rollenverteilungen in Methoden wie Scrum (Scrum Master, Product Owner etc.) nicht strikt ins Marketing übernommen, sondern entsprechend angepasst, ergänzt oder ersetzt werden.
Der wichtigste Unterschied besteht aber meiner Meinung nach darin, dass sich viele Entwicklerteams (insbesondere in großen Organisationen) oft auf das Reagieren auf Veränderungen zurückziehen. Die Änderungen von Requirements und auch andere Veränderungen wie beispielsweise die wachsende eigene Expertise während des Projekts sind Ereignisse, auf die ein Software-Team agil reagiert. Sie kommen wie von selbst und sorgen für die Auslastung der Entwickler. Marketing-Teams können es sich aber nicht leisten, nur zu reagieren. Sie sollten immer anstreben, in eine Position des Agierens zu gelangen, in der sie nicht allein auf den Wandel im Markt reagieren, sondern diesen selbst herbeiführen.
Es sei noch angemerkt, dass auch Software-Entwickler-Teams sich nicht zwangsläufig auf das Reagieren beschränken. Wenn z.B. eine neue App für den Endkundenmarkt entwickelt wird und das Team aktive neue Funktionen vorschlägt und umsetzt. So muss auch das agile Marketing-Team an die Dinge herangehen. Seine Marketingmaßnahmen sind Produkte, die den Markt verändern sollen. Im Idealfall sind Marketing-Teams also First Movers.
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Klassische lineare Prozesse: Wasserfall-Modell
Klassische Prozessmodelle sind linear. Als exemplarischer Typ dieser linearen Prozesse wird in der Regel das Wasserfall-Modell angeführt, welches in den Ingenieurwissenschaften zu den Basics gehört. Im Wasserfall-Modell folgen verschiedene Phasen aufeinander. Bevor in die nächste übergegangen wird, muss die vorherige abgeschlossen sein. Der Sinn der strengen Abfolge besteht darin, dass Änderungen an Ergebnissen früher Prozessphasen immer teurer werden je weiter der Prozess voranschreitet. Ein einfaches Beispiel aus dem Marketing ist die Markenentwicklung, die bei vielen Agenturen auch heute noch nach dem klassischen Paradigma erfolgt. Nach einer Research-Phase werden zunächst die Werte der Markenplattform und die Positionierung der Marke begrifflich definiert. Dann wird das entsprechende Design und die konkreten Kommunikationsbotschaften auf Basis dieser Werte in einer Kreationsphase entwickelt. Denn die Kreation soll die definierten Werte an die Zielgruppen vermitteln. Werden die Werte nach der Kreationsphase geändert, muss auch die Arbeit der Kreationsphase zumindest teilweise neu gemacht werden. Man möchte sich also möglichst sicher sein, die richtigen Werte umzusetzen, um Änderungen und damit Mehrkosten zu vermeiden.
Es ist kein Zufall, dass ich hier ein Beispiel aus der Markenentwicklung anführe. Denn im Tagesgeschäft sind Marketingteams wie gesagt oft schon auf ihre eigene Weise agil, weil sie ohnehin mit sich permanent ändernden Anforderungen umgehen müssen. Sie arbeiten parallel und gezwungenermaßen bisweilen sprunghaft, wenn Vorgesetzte und interne Kunden mit den neusten Änderungswünschen um 17:30 in ihren Büros auftauchen.
Aber auch lineare Prozesse sind im Marketing nach wie vor präsent, wenn es beispielsweise um Videodrehs, Fotoshootings, Messeauftritte und Ähnliches geht. Hier geht man davon aus, dass die Vorbereitungen und Vorentscheidungen zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen sein müssen – und zwar in guter Qualität, alles andere kostet Geld. Man verlässt sich lieber auf bewährte Prozessmodelle.
Darüber hinaus handelt es sich beim linearen Prozessmodell um eine tief in der Kultur vergangener Jahrhunderte verwurzelten Denkweise, die wir alle als selbstverständlich gültig hinnehmen, wie es beispielsweise die Redewendung „Eins nach dem anderen“ zum Ausdruck bringt. Vor allem jedoch macht es eben schon noch einen Unterschied, ob man im Tagesgeschäft einigermaßen agil handelt oder ob das gesamte Team in durchdachten agilen Strukturen organisiert ist. Darauf zielen agile Prozessmodelle.
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Agile Prozesse: Iteratives Modell
Im agilen Prozessmodell dreht sich, wie gesagt alles, um das Konzept der Iteration. Es geht also darum, ein Projekt Schritt für Schritt umzusetzen und zu verbessern. Um diese Prozesse flexibel zu strukturieren unterscheiden agile Prozessmodelle zwischen einem Macro-Cylce und einem Micro-Cyle. Der Macro-Cycle repräsentiert den Gesamtprozess der iterativen Entwicklung. Der Micro-Cycle stellt einen kleinen Abschnitt innerhalb des Macro-Cylces dar, in der ein Entwicklungsschritt vollzogen wird. Der Micro-Cylce selbst ist wiederum in verschiedene Phasen unterteilt. Es handelt sich in der Regel um drei bis sieben Phasen. Eine der bekannteren Unterteilungen stammt aus dem Design-Thinking. Hier besteht der Zyklus aus den sechs Phasen Understand, Observe, Point-of-view, Ideate, Prototype und Test.
Bei Fruyts arbeiten wir nur mit vier Phasen (Learn, Create, Produce, Test), weil sich diese Reduktion in der Praxis als einfacher verständlich und ausreichend differenziert herausgestellt hat. Aber gleichgültig, wie man die Micro-Cycles unterteilt, wichtig sind vor allem zwei Aspekte: Zum einen folgen die Phasen zwar aufeinander, das Team kann aber jederzeit in frühere Phasen (auch vorangegangener Micro-Cycles) zurückspringen, wenn die bisher erarbeiteten Ergebnisse ergänzt oder verändert werden müssen. Zum anderen sollte für jeden Micro-Cycle eine klare Aufgabe mit Zieldefinition formuliert sein. Der Cycle endet, wenn diese Aufgabe erfüllt ist. Wenn sich die Aufgabe als nicht richtig gestellt erweist, wird sie neu formuliert. Dann endet der Cycle mit Erfüllung der neu gestellten Aufgabe. In der Software-Entwicklung (und damit auch in der für das Marketing relevanten Entwicklung von Websites und Apps) besteht diese Aufgabe oft in der Fertigstellung einer bestimmten Funktion oder im Abarbeiten eines Tickets. Im Marketing ganz allgemein, kann in einem Micro-Cycle beispielsweise eine bestimmte Teilmaßnahme einer größeren Aktion oder auch nur das erste Brainstorming für eine Kampagne erfolgen. Das ist flexibel.
DESIGN THINKING
Wer mehr darüber erfahren möchte, kann sich beim Hasso-Plattner-Institut schlau lesen. Die Experten vom HPI gelten hierzulande als Vordenker ;-) des Design-Thinking.
INKREMENTELLE PROZESSE
Neben dem iterativen Prozess gehört zur Agilität eigentlich auch noch der inkrementelle Prozess. Also das Hinzufügen neuer Elemente in späteren Prozessphasen. Inkrementelles Vorgehen spielt in der Software-Entwicklung eine große Rolle, weil man dort oft erst mit Basisfunktionen startet, diese zum Release führt und dann weitere Funktionen entwickelt. Ich beschränke mich hier aber auf die für das Marketing wichtigere Methode der Iteration.
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Prototyping und Kundenorientierung
Agile Prozesse sind also sehr stark auf die ständige Optimierung und Weiterentwicklung ihres Gegenstands ausgerichtet. Daher geht es im agilen Paradigma oft darum, so schnell wie möglich zu einem Prototypen zu gelangen und diesen auf direktem Wege zum Proof-of-Concept zu führen. Das Arbeiten mit Prototypen kommt ursprünglich aus dem Produktdesign und der technischen Entwicklung durch Ingenieure, wenn beispielsweise der Prototyp einer neuen Maschine entwickelt wird. Agiles Prototyping hat hier und auch in der Software-Entwicklung in den letzten Jahrzehnten stetig an Bedeutung gewonnen. Da Prototypen heutzutage sehr schnell entwickelt und dann in kleinen Iterationszyklen schnell verbessert (oder verworfen) werden, spricht man auch von Rapid Prototyping.
Was aber genau ist unter einem Prototypen im agilen Marketing zu verstehen? Und worin besteht hier die Rolle des Prototypen? Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass die Konzepte des Prototypen und auch des Rapid Prototyping im agilen Paradigma auch auf andere Bereiche als die (technische) Produktentwicklung übertragen werden kann. Im agilen Marketing versteht man unter einem Prototyp z.B. das frühe Entwurfsstadium einer Website oder ganz allgemein einer Kommunikationsmaßnahme. Es kann sich also sowohl um eine Bleistiftskizze eines Prozesses handeln als auch um einen bereits programmierten Click-Dummy. Dabei bezieht sich die Idee des Prototypen nicht allein auf digitale Maßnahmen. Auch der Entwurf von klassischen Aktionen wird im agilen Paradigma als Prototyp betrachtet.
Wichtig ist beim Prototyping vor allem, dass man so schnell wie möglich zu brauchbaren Testsituationen kommt. Dabei liegt die Schwelle der Brauchbarkeit eines Test recht niedrig. Allzu kritische Vorbehalte gegen die Testbedingungen oder die Größe der Testpersonengruppe, wie man sie aus dem Design von Gruppenbefragungen und statistischen Erhebungen kennt, sind vor allem in den frühen Prototying-Phasen eher hinderlich. Man geht statt dessen davon aus, dass man selbst von nur wenigen Testpersonen wertvolles Feedback erhalten kann. In frühen Phasen testet man vielleicht mit Mitgliedern angrenzender Teams innerhalb des Unternehmens oder mit ausgewählten externen Testpersonen. In späteren Phasen mit größeren Testgruppen oder mit Kunden unter Realbedingungen.
Ein wichtiges Konzept dabei ist der MVP. Die Abkürzung steht für Minimal Viable Product (das P manchmal auch für Prototype). Gemeint ist ein Prototyp auf einem minimalen Produkt-Niveau. Also ein Prototyp, der gerade so gut ist, dass man ihn frühen Usern (Early Adopters) zumuten kann, um von ihnen Live-Feedback zu erhalten. Es handelt sich also um das Produkt des ersten Releases. In Marketing-Kategorien gedacht: um die erste Version einer Aktion, Maßnahme oder Kampagne, mit der man an Teile der definierten Zielgruppe herantritt. Der MVP, z. B. eine Digitalkampagne der ersten Woche, wird nach dem Release weiter iterativ optimiert.
Die Entwicklung von Maßnahmen über Prototypen hat zum Ziel, die Arbeit des agilen Teams konsequent an der Kundenperspektive auszurichten. Im Unterschied zu klassischen Marketing-Methoden ist diese Kundenperspektive nicht mehr oder nur anfänglich auf Basis von Marktforschungsergebnissen und den Überlegungen des Marketing-Teams konstruiert. Je weiter der Prozess voranschreitet, desto wichtiger wird der Einfluss des aktuellen Feedbacks realer Kunden. Mit Feedback sind nicht unbedingt nur verbale Rückmeldungen von Kunden in Test-Situationen oder über Kommentarfunktionen von Social Media Plattformen oder Ähnliches gemeint. Vielmehr setzt agiles Marketing vor allem auch auf die messbare Resonanz auf Maßnahmen und Kampagnen, die sich in relevanten Kennzahlen wie z.B. Clicks, Leads und Abschlüssen erfassen lässt. Anhand dieser Resonanz lassen sich initiale Zielgruppen-Hypothesen überprüfen und schärfen, etwa wenn es darum geht, ob eine Kampagne mit der richtigen Zielgruppen-Segmentierung arbeitet oder nicht.
RAPID BRANDING
Bei Fruyts wenden wir agiles Prototyping auf verschiedenste Unternehmensbereiche und Prozesse an. Für Markenprozesse haben wir das Format Rapid Branding entwickelt.
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Konkrete Anwendungsfelder des agilen Marketings
Sucht man nach Beispielen für agiles Marketing werden oftmals einige der bekannteren Case Studies für tagesaktuelle Werbung angeführt. Etwa die Superbowl Werbung von Oreo, mit der die Marke in sozialen Netzwerken auf einen Stromausfall während der Sportgroßveranstaltung reagierte und twitterte: „Power out? No Problem. You can still Dunk in the Dark.“ Oder die Kommunikation des Autoverleihers Sixt, die schon seit langem aktuelle Themen aufgreift und karikiert.
Natürlich sind dies beeindruckende Demonstrationen einer hohen agilen Reaktionsgeschwindigkeit. Auch gibt es Marketingbereiche, die wie zum Beispiel Social Media Marketing ohne Aktualität weit hinter ihren Möglichkeiten zurück bleiben. Dennoch führen diese Beispiele für viele Unternehmen ein wenig in die Irre, wenn es darum geht, die Chancen des agilen Marketings für die eigene Organisation zu erkennen. Die Beispiele beziehen sich auf große Consumer-Marken, die mit ihren riesigen Ressourcen versuchen, über Tagesaktualität mehr Aufmerksamkeit bei ihren breiten Zielgruppen zu gewinnen. Für viele Unternehmen, etwa Mittelständler oder B2B-Unternehmen, sind diese Szenarios nicht übertragbar, weil sie entweder nicht realistisch oder gar nicht erstrebenswert sind.
Im Marketing der meisten Unternehmen geht es schlicht um andere Herausforderungen. Aber auch sie können oft mit agilen Methoden sowohl effektiver als auch effizienter gemeistert werden. Die folgende Liste versammelt einige Anwendungsfelder, die für die meisten Unternehmen relevant sind:
a) Agiles Projektmanagement
Das Kernelement agilen Marketings ist ein agiles Projektmanagement. Das betrifft die Form der Meetings, die ein agiles Marketing vorsieht (Daily und Weekly Stand-up etc.) und die Organisation von Prozessen mit einer agilen Methode. Eine der wichtigsten Ideen dabei ist die Visualisierung von Aufgaben und Prozessen. In digitalen Tools geschieht dies beispielsweise durch Task-Cards an digitalen Boards. Die analoge Variante arbeitet mit Notizzetteln, auf denen die Aufgaben notiert werden. Digitale Tools sind mittlerweile in großer Anzahl verfügbar. Von mächtigen Lösungen (wie z.B. Jira oder dem Open-Source-Tool Redmine) bis hin zu einfacheren (wie z.B. Trello oder factro). Ob ein agiles Team sich in Sprints oder anderen Prozesseinheiten organisiert, hängt stark von der genutzten agilen Methode (Scrum, Kanban etc.) ab.
Einstieg:
Für viele Marketingprozesse reichen einfache agile Tools. Sie sind intuitiv zu bedienen und eignen sich gut, um das Team auf agile Prozesse einzustimmen. Wer nicht direkt mit einem digitalen Tool starten möchte, kann auch analog einsteigen. Eine gute Möglichkeit bietet ein Kanban-Board, auf dem die Aufgaben auf Zettel geschrieben werden und dann durch die Kanban-Spalten wandern.
b) Live-Monitoring und -Optimierung digitaler Kampagnen
Digitale Kampagnen lassen sich in Echtzeit überwachen und entsprechend optimieren. Hierfür müssen klare Ziele und entsprechende KPI definiert sein.
Einstieg:
Ein gute Möglichkeit zu starten, ist ein einfaches Social Media Monitoring. Die entsprechenden Tools (z.B. Hootsuite, Brandwatch etc.) sind recht komfortabel. Eine andere Einstiegsmöglichkeit besteht darin, das Monitoring der eigenen Website zu intensivieren. Viele Unternehmen nutzen dafür Google Analytics, was zu Datenschutzproblemen führen kann. Wir empfehlen das Tool Matomo, welches selbst gehostet werden kann und als besonders Datenschutz-freundlich gilt.
c) Testing
Digitales Marketing bietet die Möglichkeit, verschiedene Ansätze und Varianten auszuprobieren und anhand von belastbaren Daten schnell auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Im agilen Marketing wird keine Maßnahme mit großem Budget umgesetzt, die nicht zuvor in einem validen Test überzeugt hat.
Einstieg:
Wer Testing einführen möchte, kann leicht mit A-B-Tests im E-Mail- oder Newsletter-Marketing beginnen. Die bekannten Tools (z.B. CleverReach, mailchimp) bieten hierfür komfortable Features.
d) Agiles Social Media Marketing und Content Marketing
Social Media und Content Marketing stellen exemplarische Anwendungsfälle von agilem Marketing dar. Social Media Manager und Content Marketing Verantwortliche müssen schnell und flexibel auf Trends, Community-Bewegungen und Kennzahlen des Live-Monitorings reagieren. Hierbei stellen sich verschiedene aufeinander aufbauende Herausforderungen:
- Auswahl: Welche Themen sollen wann gespielt werden. Auf welche Posts und Trends soll reagiert werden?
- Ideen: Wie soll dies umgesetzt werden?
- Abstimmung: Welche Entscheidungsträger müssen einbezogen werden. Wie kann dies möglichst reibungslos abgewickelt geschehen?
- Umsetzung: Wer kann schnell zuliefern? Wer bereitet die Aktionen oder die Kampagne auf?
- Optimierung: Wie können Posts und Beiträge nach Kennzahlen wie Interaktionsraten und SEO-Metriken bestmöglich optimiert werden.
Oft wird die notwendige Agilität dadurch gewährleistet, dass viele dieser Aufgaben in der Personalunion des Social Media Managers bzw. des Content Managers geschehen. Eine agile Rollenverteilung und agiles Projektmanagement eignen sich hier sehr gut, um größere Teams und den gesamten Prozess in den Griff zu bekommen.
Einstieg:
Es muss nicht gleich kontinuierliche Tagesaktualität sein. Im Social Media Marketing kann man gut mit einem Ereignis oder eine Ereignisphase beginnen, in der schnelle Reaktion auf sozialen Kanälen besonders vielversprechend ist. Es kann zum Beispiel um ein großes Branchen-Event wie eine Konferenz oder eine Messe gehen, aber auch um allgemein relevante Ereignisse wie die Olympischen Spiele, die Bundestagswahlen, den Welternährungstag usw. In dieser Phase probiert man einen agilen Prozess mit definierter Rollenverteilung aus und bewertet dies anschließend anhand zuvor definierter KPI.
Beim Content-Marketing bietet sich die Optimierung auf SEO-Metriken an. Sie sind mit den einschlägigen Tools gut messbar. Agile Optimerungen können also transparent auf ihren Effekt hin überprüft werden.
e) Agile Entwicklung von Webanwendungen
Webanwendungen werden heute in der Regel agil entwickelt. Das ist schneller und führt zu besseren Ergebnissen in der Nutzerakzeptanz. Dazu ist es wichtig, schon in frühen Phasen Protoypen auf Code-Basis zu erstellen. Die Zeiten, in denen man zuerst Designs in Photoshop gemacht hat, die dann später umgesetzt wurden, sind vorbei.
Einstieg:
Externe oder interne Dienstleister sollten direkt auf das Thema Agilität angesprochen werden. Das Ziel eines solchen Gesprächs besteht darin, mit den Dienstleistern einen agilen Prozess für die anstehenden Projekte zu vereinbaren, in den das Marketingteam voll eingebunden ist.
f) Agilität und klassische Maßnahmen
Klassische Maßnahmen haben oft fixe Vorläufe und ihre Produkte (z.B. Printprodukte) können nicht mehr verändert werden. Dadurch sind der Agilität natürliche Grenzen setzt. Das bedeutet aber nicht, dass agiles Marketing hier nicht stattfinden kann. Zum einen werden auch die klassischen Produktionsprozesse immer kürzer und flexibler. Zum anderen kann man grundsätzlich jedes Projekt agil angehen. Bei klassischen Maßnahmen betrifft das zunächst die Konzept- und Entwicklungsphase, die in der Regel mit digitalen Gestaltungstools erfolgt. Aber es betrifft ebenso die Test- und Optimierungsphase. Einfache Tests vor Release lassen sich mit On-Board-Mitteln organisieren. Nach dem Release benötigt man ein Tool, mit dem Reaktionen auf die klassischen Maßnahmen in Echtzeit gemessen werden können. Denn die Optimierung einer Aktion oder Kampagne erfolgt ja nicht unbedingt isoliert im einzelnen Kanal, sondern cross-medial. Haben klassische Maßnahmen Erfolg, können sie in den Sozialen Medien und im Direktmarketing noch besser weitergespielt werden. Eine agile Optimierung von Flight zu Flight sollte auch in den klassischen Medien selbstverständlich sein.
Einstieg:
Es bietet sich an, mit einer Aktion zu starten, die sich in mehrere Wellen unterteilen lässt. So hat man eine gegebene Optimierungsstruktur, die dann agil umgesetzt werden kann. Die Daten für die Optimierung sind bei klassischen Maßnahmen oft schwerer zu ermitteln und zu beurteilen. Ein pragmatischer Mix aus digitalen Monitoring-Tools und cross-medialen oder analogen Rücklaufkanälen ist ein guter Anfang.
g) Agile Markenentwicklung
In der agilen Markentwicklung ist die Markenkonzeption ein Prototyp, der Schritt für Schritt weiterentwickelt wird. Anders als die meisten Markenberatungsunternehmen verfolgen wir bei Fruyts diesen agilen Ansatz. Dies im Wesentlichen aus drei Gründen:
- Praxisnähere Ergebnisse: Durch konsequentes Testen und Prototyping kommen wir zu konkreten Ergebnissen, die in der Praxis funktionieren. Dabei muss nicht unbedingt jede der Kategorien klassischer Markenplattformen bedient werden. Das Risiko, ein „vollständiges“ abstraktes Markenkonzept zu entwickeln, das weder in den Köpfen der Mitarbeiter noch der Kunden ankommt, wird deutlich reduziert.
- Schneller: Anstatt zunächst Wochen oder gar Monate mit Research und markenstrategischen Konzepten zu verbringen, entwickeln wir schnell ein Basis-Brandset und die wichtigsten Kernbotschaften. Sie gehen als Minimal Vialble Product an den Start.
- Bessere Einbindung von Mitarbeitenden: Eine der besonderen Stärken der agilen Methoden besteht darin, auch größere Gruppen von Mitarbeitenden produktiv zu beteiligen. Die Beteiligten sind später die besten Markenbotschafter. Der im klassischen Model vorgesehene zweistufige Prozess von zunächst Markenentwicklung und dann Vermittlung über Schulungen oder interne Kommunikation wird so deutlich flexibilisiert.
Einstieg:
Wenn eine Marke weiterentwickelt werden soll oder geplant ist, eine neue Marke zu entwickeln, ist es sinnvoll, mit einem agilen Ansatz wie einem Design-Thinking-Workshop oder unserem Format Rapid Branding zu starten. So kann ein Marketingteam ausprobieren, ob es eine agile Markenentwicklung verfolgen oder eher den klassischen Weg gehen möchte. Sollte letzteres der Fall sein, können die Ergebnisse aus dem agilen Workshop in Berichtsform zusammengefasst und in die klassische Entwicklung eingebracht werden.
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Vorteile des agilen Marketings
Bevor ich zu den Risiken des agilen Marketings komme, hier noch eine übersichtliche Zusammenfassung der bereits im Detail angesprochenen Vorteile:
- Schnelligkeit und Flexibilität: Agile Teams sind schneller mit ihren Aktionen live und können Veränderungen flexibel herbeiführen.
- Messbarkeit: Ergebnisse werden klar dokumentiert und bilden die Basis für Optimierungen.
- Kundenorientierung: Die Arbeit mit Prototypen und die kontinuierliche Optimierung helfen einem Team sich konsequent und flexibel in die sich verändernde Perspektive der Kunden zu versetzten.
- Effektivität: Durch Tests und Optimierung wird mit gleichen Budgets ein größerer Effekt erzielt.
- Digital Boost: Wenn ein Team vor allem in digitalen Bereichen (wie z.B. Marketing Automation, datengetriebenes Marketing, digitales Campainging usw.) vorankommen möchte, eignen sich agile Methoden in der Regel besonders gut, um Ziele schneller und effizienter zu erreichen.
- Eigenständigkeit: Agile Teams arbeiten mit viel Selbstverantwortung. Das macht die Teams schneller und qualitätsbewusster, erhöht ihre Handlungsfähigkeit und entlastet Führungskräfte.
- Transparenz: Die Visualisierung der Prozesse und Aufgaben sowie die regelmäßigen agilen Meetings halten das Gesamtteam besser über den aktuellen Stand auf dem Laufenden. Die interne Kommunikation des Teams verbessert sich.
- Fehlerkultur: Fehler werden als Chance begriffen, etwas dazu zu lernen und sich zu verbessern. Agile Teams arbeiten couragierter und probieren gern Neues aus.
- Motivationsboost: Teams, die erfolgreich agil zusammenarbeiten, bringen sich motivierter ein, weil sie mehr gestalten können.
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Die Risiken des agilen Marketings
Als Unternehmensberatung legen wir besonderes Augenmerk auf die Risiken. Und natürlich auf die Möglichkeiten, ihnen erfolgreich zu begegnen. Die folgende Liste von Risiken ist daher lebensnah gehalten und deutet bereits konkrete Ansätze der Risikominimierung an.
a) Team wird nicht ausreichend in Veränderungsprozess einbezogen
Die von einem Marketing-Team genutzten agilen Prozessdesigns sollten auch von diesem Team oder zumindest unter intensiver Beteiligung des Teams erarbeitet werden. Eine Implementierung von Prozessdesigns ohne ausreichende Berücksichtigung des Teams führt in der Regel zu starken Abwehr-Effekten. Und das zu Recht. Einer der Grundsätze agiler Zusammenarbeit besteht ja darin, dass die Teams weitgehend selbstbestimmt arbeiten. Dies gilt auch bereits für den Transformationsprozess. Außerdem sollten agile Tools und Paradigmen immer für das Team arbeiten, nicht umgekehrt.
Risikominimierung:
Das Team kann (z.B. über eine Reihe von Workshops) in die Lage versetzt werden, seine agilen Prozessdesigns selbst zu entwickeln. Ein solcher Prozess beginnt bestenfalls sehr grundsätzlich damit, dass sich das Team zunächst einmal darüber verständigt, was Agilität für die konkrete Zusammenarbeit bedeutet und wo eventuelle Stolpersteine und Grenzen liegen. Auch die Roadmap des Transformationsprozesses sollte mit dem Team zusammen entwickelt werden. Hier müssen natürlich oft auch äußere Vorgaben seitens Vorgesetzter oder der Unternehmensstrategie berücksichtigt werden. Haben aber die einzelnen Teammitglieder ihre Gestaltungsspielräume (Wie wollen wir in welchem Bereich genau zusammenarbeiten?) erst erkannt, steigt die Akzeptanz für die Transformation deutlich. Begeisterung für agiles Marketing ist dann keine Seltenheit.
b) Verzettelung
Wenn ein Team sich intensiv mit Agilität beschäftig und tatsächlich agiler wird, öffnet das den Horizont. Sehr viele neue Möglichkeiten tun sich auf. Das ist gut so. Denn genau darum geht es ja. Aber mit diesem Öffnungsprozess geht immer auch das Risiko einher, zu viele Aktionen gleichzeitig und nicht aufeinander abgestimmt zu starten.
Risikominimierung:
Das Trial-and-Error-Prinzip ist kein Selbstzweck. Es dient dazu definierte Ziele zu erreichen. Sind Ziele definiert, kann sich das agile Marketing auf die Maßnahmen konzentrieren, die für ihre Erreichung am wichtigsten sind. Es ist die Aufgabe der Führungskräfte, den Überblick zu behalten und steuernd in die agile Produktion ihrer Teams einzugreifen. Hierfür brauchen sie ein gutes Einfühlungsvermögen, also die Fähigkeit, sich in die Perspektive der einzelnen Teammitglieder hineinzuversetzen und mit ihnen im Dialog nach Lösungen zu suchen.
c) Softwaretools finden keine Akzeptanz im Team
Manchmal werden agile Softwaretools (z.B. Projektmanagement- oder Analyse-Tools) angeschafft, die dann in der Praxis nicht intensiv genutzt werden. Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Vielleicht ist die Software zu komplex oder die Schulung war nicht ausreichend.
Risikominimierung:
- Beschaffung: Das Team sollte bereits in die Beschaffung der Software eingebunden werden. So wird sichergestellt, dass das neue Tool die differenzierten Bedürfnisse des Teams auch tatsächlich abdeckt und das Team sich nicht übergangen fühlt.
- Trainings: Schulungen sollten initial in ausreichendem Maße durchgeführt werden, am besten als Training on the Job. Abstrakte Schulungen sind weniger effizient und entsprechen weniger dem agilen Paradigma.
- Ansprechpartner: Außerdem sollte auch nach der Einführung ein gut verfügbarer Ansprechpartner für die kleinen Probleme der fortgeschrittenen Nutzung bereit stehen. Gerade bei eigentlich talentierten Usern birgt die fortgeschrittene Nutzung einer Software bisweilen Frustrationsrisiken. Als fortgeschrittene User fühlen sie sich kompetent, die Software zu beurteilen, und vergleichen sie im Detail mit alten vertrauten Systemen. Ein guter Ansprechpartner unterstüzt solange, bis die neuen Systeme ebenso vertraut sind.
- Skalierbarkeit: Es sollte keine Tools angeschafft werden, die aufgrund technischer Beschränkungen oder der Limitierung des eigenen Budgets nicht gut skalieren. Nichts bremst ein Team mehr aus, als eine Software, die von Teilen des Unternehmens nicht genutzt werden kann, weil gerade kein Budget für weitere Lizenzen verfügbar ist.
d) Einladung zu Helikopter-Attitüden
Führt ein Team agile Methoden ein, liegt es in der der Natur der Sache, sich gegenüber anderen Unternehmenseinheiten auch als agil darzustellen. Damit wachsen die Ansprüche der anderen an das agile Team. Jeder kennt den Effekt, der sich im Erfolgsfall einstellt: Man hat es einmal geschafft, eine Anpassung nach der Deadline umzusetzen. Dann halten es die Anspruchsteller für normal, jede Deadline zu reißen. Das agile Team wird es schon richten.
Risikominimierung:
Agilität ist kein Ansatz, um Deadlines abzuschaffen. Es geht darum, das beste Ergebnis zur jeweiligen Deadline zu erzielen. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist es sinnvoll, von Beginn an die entsprechenden Tools für das Zeitmanagement (Release Burndown etc.) zu nutzen.
e) Grenzen der Agilität sind nicht klar
Marketing-Dienstleister werden zwar immer flexibler, aber es gibt immer noch Grenzen und harte Deadlines. Bestimmte Marketing-Prozesse müssen schon aufgrund langer Vorlaufzeiten und großer Budgetfreigaben anders betrachtet werden als digitale jederzeit anpassbare Aktionen. Ein Beispiel hierfür sind Messeauftritte. Insbesondere bei größeren Messeständen ist der organisatorische Aufwand sehr komplex. Entscheidungen müssen für große Budgets fix und lange vor dem eigentlichen Event getroffen werden. Fehlentscheidungen wirken sich stark auf Budget und Erfolg aus. Das wichtigste ist für viele Messeteams ohnehin, dass die monatelange Vorbereitung für das sehr kurze Zeitfenster des eigentlichen Events schlicht funktioniert.
Riskikominimierung:
Ein agiles Team sollte sich der Grenzen der Agilität immer bewusst sein. Agilität ist lediglich eine Methode, sich besser zu organisieren. Wenn die Rahmenbedingungen eine andere Methode verlangen, ist diese die bessere Wahl.
f) Partner sind nicht agil
Marketing-Teams arbeiten oft mit externen Partner zusammen, mit unterschiedlichen Agenturen, digitalen Dienstleistern, Publishern, Druckereien usw. Nicht immer sind diese Partner auch agil oder begeistert, wenn sich in der Partnerschaft etwas ändert.
Risikomininierung:
Partner sollten frühzeitig in die Änderung von Prozessen einbezogen werden. Ein Marketing-Team sollte klar und transparent vermitteln, was es von Partnern erwartet. Können Partner diese Erwartungen nicht erfüllen oder bremsen das agile Team in anderer Weise aus, kann ein Wechsel sinnvoll sein.
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Übersicht über Methoden und Tools des agilen Marketings.
Agiles Marketing ist nur so gut, wie die Methoden und Tools, die es nutzt. Hierzu gehören:
- Innovations-Methoden wie Design Thinking und Rapid Prototyping mit denen die Innovationspotentiale der Mitarbeitenden besonders gut genutzt werden können
- Agile Projektmanagement-Methoden, die wie Scrum, Kanban oder eigene Ansätze, die den iterativen Prozess unterstützen
- Digitale Projektmanagement-Tools, die helfen, agile Methoden in der alltäglichen Nutzung zu etablieren
- Digitale Analyse-Tools, die Echtzeit-Feedback zu Prototypen, Maßnahmen und Prozessen liefern
- Digitale Tools für Social Media Management
- Low Code Development Plattformen, die es dem Marketingteam ermöglichen, einen Prototyp für eine Website oder App ohne Programmierkenntnisse aufzusetzen
- Wenn Programmierkenntnisse vorhanden sind: Web Frameworks, mit denen bereits erste Prototypen auf Code-Basis schnell entwickelt werden können
Unser Beratungsangebot
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Wenn mehr Agilität ins Marketing soll, helfen wir gern weiter. Unser Beratungsangebot bezieht sich sowohl auf Teilbereiche als auch auf eine umfassende Prozessbegleitung beim agiler Werden, z.B.:
- Auswahl und Implementierung agiler digitaler Tools
- Agile Trainings und Empowering für Teams
- Begleitung bei agilen Kampagnen
- Agile Markenentwicklung
- Entwicklung agiler Strategien
- Begleitung bei der agilen Planung
Wir freuen uns auf einen Anruf unter 05136 970 924.
Oder eine Nachricht an hallo@fruyts.de.
/Strategy
Agile Markenberatung
Die Markenberatung bei Fruyts umfasst ein Spektrum von vier Modulen: vom Markencheck über die Markentwicklung und die Markenstrategie bis zum agilen Marketing.